Ein dramatischer Parcours in der DT-Tiefgarage
»Das Theater sucht immer die Nähe, die Berührbarkeit und die Verständigung, die in viralen Zeiten von Schutzzonen und Entfernungsschranken diktiert wird. Und dennoch kommt es an diesem Theaterabend zu unmittelbaren Begegnungen der Schauspieler mit ihrem Publikum in seinen mobilen Schutzzonen, weil Bühnenbildner Florian Barth sich hier im Bündnis mit Antje Thoms als Brückenbauer versteht … Es ist dieser unmittelbare, intime Dialog, in den die Schauspieler jeden PKW-Insassen verwickeln, als ob nur er gemeint ist für das, was es zu fragen, zu reflektieren und nachzuempfinden gilt. Und da alle Rollen mehrfach besetzt sind und das gesamte Ensemble Stellung zu den Positionen und Parteilichkeiten nimmt, erfahren die Figuren immer wieder andere gedankliche und emotionale Farben.« Tina Fibiger, Kulturbüro Göttingen 13.5.2020
Krank und frei
»›Die Methode‹ am Göttinger Deutschen Theater ringt uns aristotelische Einfühlung ab und bringt uns damit an den Rand der Erschöpfung. Dieser Stress nach Wochen der sozialen Distanz und eines nicht absehbaren Endes von Einschränkungen im sozialen Miteinander ist schwer zu ertragen. Wenn dieser Tage von ›Lockerungen‹ die Rede ist, so stellt ein Theaterbesuch im Deutschen Theater Göttingen zur Debatte, inwiefern sich Freiheit nun tatsächlich nach der Größe von Ladenflächen bemessen lässt … Das Deutsche Theater Göttingen trotzt den Maßnahmen, den Auflagen und der sozialen Distanz, ohne sie zu verletzen, ohne zu polarisieren, ohne anzuklagen. Damit zeigt sich das Theater in seiner systemrelevantesten Form als ein Ort der Debatte – einer Debatte, die wir gerade in Zeiten von Corona brauchen, um uns immer wieder daran zu erinnern, die Demokratie lebendig zu halten.« Leonie Krutzinna, litlog.de 11.5.2020
Konflikt mit dem Schutz von Leib und Leben
»Dieses zerrissene Denken gibt sie uns mit auf den Weg hinaus – bei der Ausfahrt wird das Auto scharf überprüft, wie früher von den Grenzern der DDR bei Ein- und Ausreise. Sind wir infiziert? Vom anti-methodischen Denken? Von Moritz Holl? Die ›digitale Anklageschrift‹ gegen ihn ist uns mitgegeben worden – der Abweichler von der reinen Lehre, das Virus sind womöglich jetzt wir selbst. Strategisch klug reagiert hier das Theater auf den dramatisch-historischen Moment der Weltkrise, die diesmal (anders als das andere Krisen tun) auch uns in der europäischen Komfort-Zone trifft. Das kleine Haus am Rande der großen, ausgetretenen Theaterpfade hat die Herausforderung angenommen: beispielhaft.« Michael Laages, nachtkritik.de 9.5.2020
Eine besondere Erfahrung im Drive-in-Theater
»Wer dem gesunden Menschverstand widerspricht, ist krank, gefährdet den kollektiven Körper, die Gesellschaft. Das ist der Rahmen den ›Die Methode‹ vorgibt. An vier Schauplätzen begegnet der Theaterbesucher jeweils einer Figur, die aufgrund der Corona-Auflagen genauso isoliert ist wie das Publikum in den Fahrzeugen. Zu den Akteuren entsteht dennoch trotz der abgeschotteten Distanz eine gewisse Nähe. Man sitzt Auge in Auge mit den Akteuren.« Britta Eichner-Ramm, Göttinger Tageblatt 11.5.2020
Die Grenzen des Theaters gesprengt
»›Die Methode‹ ist eine geballte Ladung an Intimität und eine Stellungnahme zur Öffentlichkeit zugleich. Hinter allem steckt die Sehnsucht nach Liebe als Triebfeder menschlichen Handelns. Ein zutiefst humanistisches Statement in den Zeiten der Apparatschiks … Die Inszenierung von Antje Thoms erzählt die fatale Entwicklung in vier Positionen. Dem Ensemble gelingt dabei eine Eindringlichkeit, die angesichts der Umstände überrascht, die aber ohne die besondere Aufführungsform nie möglich gewesen wäre. So viel Intimität wäre selbst auf einer Studiobühne nicht möglich gewesen. Darsteller und Publikum treten in eine Eins:Eins-Situation. Der Zuschauer wird zu einem festen Bestandteil der Inszenierung … Die Bühnenbilder und die Ausstattung von Florian Barth sind großartig. Das quietschbunte und blinkende Kassenhäuschen wirkt wie ein Ufo in dieser sterilen Atmosphäre. Es erinnert sehr deutlich daran, dass Rummel und exaltierte Lebensfreude derzeit nicht möglich sind. Damit ist es der Kontrast zur Klaustrophobie, die in der Tiefgarage wartet. Jede Station verdeutlicht das Eingesperrt sein im System … Im Auto sitzt Volker Muthmann in der Rolle des Gesundheitsrebellen. Er wirkt gehetzt, nervös schaut er sich immer wieder um. Die Worte kommen meist gepresst. Allen großen Reden zum Trotz, die noch kommen werden, ist er alles andere als souverän. Mit dieser zerrissenen Person liefert Muthmann eine Klasseleistung … Die Staatsanwältin ist gut vorbereitet … Sie redet einem ins Gewissen wie die gute Tante Erzieherin in der Kindertagesstätte … Es gibt ein letztes Angebot zur Zusammenarbeit. Sie kann aber auch drohen und damit ist sie ›Good cop, bad cop‹ in einer Person. Mit dieser diabolischen Figur ist Dramaturg Matthias Heid ein ganz großer Wurf gelungen … Paul Wenning zeigt an diesem Abend die größte Wandlungsfähigkeit. Er ist Holls Anwalt und erfüllt durchweg alle Vorbehalte gegenüber Winkeladvokaten … Andrea Strube spielt Mia Holl … Als Biologin fühlte sie sich dem System verpflichtet, nun hat sie alles verloren. Die Fundamente ihres Lebens sind weg. Die Stimme brüchig, die Schultern gebeugt. Strube gibt dem endlosen Schmerz eine Gestalt. Fast möchte man aussteigen und sie trösten … Intensive Bilder und die Intimität zwischen Publikum und Darsteller in einer neuen Dimension. ›Die Methode‹ wäre so im gewohnten Theatermodus gar nicht möglich. Antje Thoms hat mit dieser Inszenierung das Übliche gesprengt. Trotz der Hülle ›Auto‹ sind die Grenzen zwischen Darsteller und Publikum endgültig aufgehoben.« Thomas Kügler, harzkurier 13.5.2020
»Theater: Im besten Fall ist das auch immer ein Schärfen der Sinne für zwischenmenschliche, gesellschaftliche und politische Vorgänge. Das Göttinger Deutsche Theater zeigt eindrucksvoll, dass selbst so ein unwirtlicher Ort wie die Tiefgarage eines Schauspielhauses sich dafür eignet. Und: so nah, so intensiv, so aufwühlend kann nur echtes Theater von Angesicht zu Angesicht sein.« Irene zu Dohna, NDR Kultur 9.5.2020
Theater in der Tiefgarage: Isoliert im eigenen Auto
»Mehr Theater geht bundesweit derzeit wohl nicht. Dass Göttingen das möglich gemacht hat: Respekt. Und Hochachtung vor der künstlerischen Leistung.« Jens Fischer, taz 16.5.2020
Jetzt mit dem Auto vor die Bühne
»Das Stück berührt und bewegt. Bis Ende Juni 2020 ist es im Deutschen Theater Göttingen zu sehen.« Gundula Laudin, Durchblick 6/2020