Theater einBLICK

22.04.2024

Über die Taktik entscheidet immer noch der Trainer

Greta Siuts hat für den hauseigenen Kritiker*innenclub des Deutschen Theater Göttingen, der »Scharfe Blick«, die Premiere »zwei herren von real madrid« besucht.
zwei herren von real madrid
Zum Stück

In Leo Meiers Theaterstück »zwei herren von real madrid« treffen sich unerwartet zwei Fußballstars, gespielt von Paul Trempnau und Leonard Wilhelm, im Wald. Obwohl sie für denselben Club, Real Madrid, spielen, scheinen sie sich zum ersten Mal zu begegnen. Ihre Unterhaltung ist sanft und intim, während sie über Leben, Tod und ihre Gefühle beim Gewinn des Pokals sprechen. Eine zarte Liebesgeschichte zwischen den beiden bahnt sich an, die jedoch durch tragisch-komische Ereignisse, wie eine allergische Reaktion auf ein Bananenbrot als Gastgeschenk zu Weihnachten und eine ungewöhnliche Massenbestattung am Neujahrsmorgen, überschattet wird. Trotzdem entwickelt sich ihre Beziehung mit Leichtigkeit weiter, während sie mit den Absurditäten der Fußballwelt und der Öffentlichkeit konfrontiert werden.
Die Inszenierung von Matthias Reichwald zeichnet sich durch ihren humorvollen und einfallsreichen Umgang mit vorherrschenden Problematiken in der Welt des Profi-Fußballs aus. Die Kritik an den Machtstrukturen und dem unvorstellbaren Geldfluss des Profisports sowie aktuelle Bezüge zu Millionen-Transfers und Sponsoren wie der Fluggesellschaft Emirates prägen das Stück. Fast jede Szene trieft vor Ironie und Gesellschaftskritik. »Über die Taktik entscheidet immer noch der Trainer« – ein scheinbar einfacher Satz, der das Publikum zum Lachen bringt und doch die eindeutige Botschaft transportiert, dass letztendlich immer noch diejenigen mit Macht und Einfluss über die Entwicklung des Profisports bestimmen.
Der Umgang mit sensiblen Themen wie Homosexualität, toxischer Männlichkeit und Rassismus in der Fußballwelt wird durch die geschickte Nutzung von Maske und Kostümen (Julia Elisabeth Beyer) unterstrichen – am auffälligsten ist die weiße Schminke, die die Schauspielenden im ganzen Gesicht haben. Das transportiert die Idee einer idealen Gesellschaft, in der die Farbe der Haut keine Rolle spielt und Männer in weißen Ballerina-Röcken nicht mehr nur ein ›Lacher auf der Bühne‹ sind.
Das Bühnenbild von Jelena Nagorni ist schlicht, aber wirkungsvoll: Mit vielen kleinen Details wie Schneefall und geschickt eingesetzten Farben, die zum richtigen Zeitpunkt erscheinen und musikalisch (Michael Kessler) passend untermalt sind.
Das Ensemble brilliert. Leonard Wilhelm, Paul Trempnau und Gerd Zinck gelingt es in ihren Rollen als Profispieler den schmalen Grat zwischen Klischees, Vorurteilen und Realität darzustellen. Besonders hervorzuheben ist Katharina Pittelkow, die in verschiedenen Rollen wie der Mutter des einen Fußballers, einer katholischen Paterin und einer Pressesprecherin auf einer Vereins Pressekonferenz beeindruckt. Ihre Präsenz auf der Bühne und ihre Fähigkeit, verschiedene Charaktere mit Leichtigkeit zum Leben zu erwecken, machen sie zu einem unverzichtbaren Bestandteil dieser Inszenierung.
Doch in der finalen Szene des Stückes erleben die Zuschauer*innen einen federleichten und schönen Moment, als es endlich zu einem sichtbaren Kuss zwischen den beiden Fußballern kommt. Dieser Moment markiert nicht nur das Ende des Stücks, sondern symbolisiert auch den Triumph der Liebe über Vorurteile und die gesellschaftlichen Zwänge der Fußballwelt. Trotz all der Gesellschaftskritik endet das Stück somit mit einer positiven und hoffnungsvollen Note, die beim Publikum ein warmes Gefühl im Herzen hinterlässt. 18.4.2024

 

© Thomas Aurin