Anfang und Ende des Anthropozäns

Komödie von Philipp Löhle
dt.1
Premiere 24. Februar 2024
Dauer 105 Minuten
Der 1978 geborene Philipp Löhle begann schon während seines Studiums der Geschichte, Theater- und Medienwissenschaft und deutschen Literatur mit dem Schreiben von Theaterstücken. Diese erhielten etliche Preise und Nominierungen beim Heidelberger Stückemarkt und bei den Mülheimer Theatertagen. Außerdem war er Hausautor am Maxim Gorki Theater Berlin, Nationaltheater Mannheim, Staatstheater Mainz und ist es aktuell am Staatstheater Nürnberg. Nach »Bombe!«, »Der Hund muss raus – ein Suchtstück« und »Die Verwandlung« ist dies seine vierte Arbeit am Deutschen Theater Göttingen.
Wir haben es geschafft! Ein neues Erdzeitalter ist angebrochen: Das Anthropozän. Die finstere Zeit des Holozäns, in der die Entwicklung unseres Planeten und unserer Zivilisation vom Klimawandel der Zwischeneiszeit bestimmt wurde, ist Vergangenheit. Klimawandel können wir nun selbst und damit liegt das Schicksal der Erde und der Menschheit in unseren eigenen Händen. Der Mensch triumphiert endgültig über die Natur. Ob das beiden wirklich guttut, ist allerdings die Frage.
Die Bilanz jedenfalls ist nicht ermutigend. In den knapp 300.000 Jahren, die der Homo sapiens die Erde bevölkert, hat er sie ziemlich abgewirtschaftet. Die Temperaturen steigen, die Meere versauern, der Planet ist plastikvermüllt und versteppt. Zugegebenermaßen hat diese Entwicklung erst in den letzten 200 Jahren so richtig an Fahrt aufgenommen, aber nun führt sie direkt in die Katastrophe und nur der Mensch kann sie noch stoppen. Der weiß zwar um seine Verantwortung, verharrt aber ungerührt im Weiter so und wird zum Wegbereiter des eigenen Untergangs.
Philipp Löhles absurde Komödie untersucht, wie es denn um die Spezies Mensch, auf die es jetzt ankommt so bestellt ist. Sie wirft einen Blick in die Zukunft, in der die die Menschheit das selbstständige Denken an ein digitales Endgerät delegiert hat und der Verblödung anheimfällt. Ein letzter Versuch, dem menschlichen Genpool durch Züchtung wieder Intelligenz einzuschreiben, scheitert an der gegenseitigen Abneigung des Paares und fehlendem Wissen über den Liebesakt. Ob die Fähigkeit ein Kochrezept zu lesen und die Fähigkeit, einfache Probleme durch Zuhilfenahme eines Werkzeugs zu lösen, wirklich ausgereicht hätte, den IQ der Spezies langfristig zu heben, sei dahingestellt.
Da gibt es die Geschichte eines Mannes, dessen Versuch scheitert, die Verheißungen des Kapitalismus Wirklichkeit werden zu lassen. Stattdessen sucht er Empathie und Erlösung bei einem Naturvolk Ozeaniens, das jeden Kontakt mit der Moderne verweigert.
Und da gibt es die Wissenschaftlerin Swantje Plunder, die Atomenergie für das richtige Mittel hält, saubere Energie zu produzieren. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten konstruiert sie gewaltige Raketen, um den anfallenden Atommüll im Weltall zu entsorgen.
Philipp Löhle hat diese Geschichten kunstvoll miteinander verwoben, wo eine zu enden scheint, wird die andere fortgesetzt. Ein nimmer endende Erzählung von der Hybris des Menschen.
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Pressestimmen

Abgeschafft, ausgelöscht, umgebracht »Nur sechs Schauspieler braucht es, um dieses Spektakel auf die Bühne zu bringen – vorausgesetzt, das Ensemble agiert so kraftvoll und geschlossen wie die Besetzung dieses Abends. Das Bühnenbild hat Thomas Rump entworfen … auch diesmal ist ihm mit ausdauerndem Rieseln ein großer Wurf gelungen … Eine große Geschichte erzählen Löhle und das Ensemble und sie erzählen sie sehr komödiantisch. Das führt zu etwas, was es nur selten zu erleben gibt: fundierte Gesellschaftskritik, sehr unterhaltsam vermittelt. Ein rundum ganz großer Abend.«
Peter Krüger-Lenz, Göttinger Tageblatt 26.2.2024

In einer strahlenden Zukunft »Das phänomenale Ensemble springt blitzschnell zwischen den surreal-abgedrehten Handlungsebenen und den unterschiedlichen Zeiten, die mit überbordender Fantasie auf so witzige Weise verschränkt sind, dass sie elegant ineinander übergehen … Gnadenlos überdreht, gleichermaßen intelligent und unterhaltsam.«
Mark-Christian von Busse, HNA 26.2.2024

Leise rieselt der Müll »Veredelt wird die Inszenierung durch ihre starken Darsteller*innen: Stella Maria Köb und Leonard Wilhelm sind in dieser Saison neu ans Deutsche Theater Göttingen gekommen und sind ein spürbarer weiterer Gewinn für das Ensemble. Wie inbrünstig und kraftvoll sich insbesondere Stella Maria Köb in ihre Rollen wirft, beeindruckt. Von Bastian Dulisch ist man solch starke Auftritte gewohnt und auch er vermag wieder zu begeistern, vor allem als John Allen Chau, dem Prototyp des abenteuerlustigen Amerikaners. Judith Strößenreuter bringt insbesondere die vermutete zukünftige Degeneration des menschlichen Verstandes so pointiert auf die Bühne, dass kaum ein Auge trocken bleibt. Rebecca Klingenberg vermag die innere Zerrissenheit der Swantje Plunder gekonnt darzustellen. Herausragend, auch in seiner Wandlungsfähigkeit, agiert an diesem Abend Paul Trempnau, der sowohl die Fassungslosigkeit des (dann klugen) Zukunftsnormalos als auch das Schattendasein des Weggefährten von Swantje Plunder, Talvo Tamm, formvollendet spielt. Starke Bilder, starke Themen und ganz viel Witz und Abwechslung: Unterhaltsamer kann man eine Dystopie wohl kaum schreiben, inszenieren und spielen. 120 Minuten, die sich trotz Pausenlosigkeit kein Stück zu lang anfühlen, führen zu einem Must-See aktuellen Theaterschaffens.« Wertung: 10 von 10 Sternen!
Marcel Lorenz, unddasleben.wordpress.com 18.3.2024

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