Theater einBLICK

14.11.2022

My fellow depressed husbands …

Lydia Förster und Jan Wernicke haben für den hauseigenen Kritikerclub des Deutschen Theater Göttingen, der »Scharfe Blick«, die Vorstellung »State of the Union« besucht.
State of the Union
Zum Stück

Wie ernst muss man das Thema Beziehungskrise nehmen? Zu ernst jedenfalls nicht, zumindest in »State oft the Union«, der Adaption des gleichnamigen Buches von Nick Hornby. Von der Präsentation im gemütlichen Keller des Deutschen Theater Göttingen bis zu den deutlich mehr komödiantischen als dramatischen Tönen zwischenzeitlicher Gesangseinlagen ist das Stück vor allem eins – kurzweilig. So hat man dann auch das Gefühl, dass am Ende schon alles gut werden wird. Dabei geht es eigentlich um recht schwere Kost: Luise (Katharina Pittelkow) und Tom (Ronny Thalmeyer) stehen vor den Trümmern ihrer Ehe. Dass sie ihn betrogen hat, ist dabei nur das offensichtlichste Krisensymptom einer Beziehung, in der es schon lange auch jenseits des Schlafzimmers nicht mehr läuft. In zehn Vignetten, in denen sich die beiden vor dem Besuch der Paartherapeutin zusammen Mut antrinken, erfahren wir das Ausmaß des Elends: Sie ist unbefriedigt, er deprimiert; sie ist erfolgreich, er arbeitslos; er ist unselbstständig, sie macht nebenbei noch den Haushalt. Es ist zum Heulen. Wir sehen aber auch, dass die beiden sich trotzdem noch einiges zu sagen haben, wenn sie denn müssen. Hier geht es dann doch sehr ans Eingemachte und das Stück wirkt zwischenzeitlich, wie eine in Teewurst versteckte Tablette für einen kranken Hund – unter all dem Humor und der Überzeichnung der Figuren geht es um Minderwertigkeitskomplexe, Angst, Depressionen, sehr viel Unsicherheit und immer wieder um Sex, bzw. seine Abwesenheit. Es gibt die Andeutung von Verachtung, Demütigung, Wut, Verzweiflung, aber immer sofort gebrochen durch distanzierten Sarkasmus (Luise) oder kindische Starrköpfigkeit (Tom). So verdient sich das Stück eine emotionale Tiefe, die aber nie deprimierend wirkt.
Es ist aber vor allem Toms Geschichte, die Hornby hier fast beichtstuhlartig erzählt. Als heimlicher oder nicht ganz so heimlicher Protagonist der Story ist er es, der gedemütigt wird, dessen hilflose Wut verhandelt wird, der sein Ego wieder zusammensetzen und seine inneren Widerstände überwinden muss. Die Ereignisse des Stücks sind lediglich der Endpunkt einer langen Abwärtsspirale, aus der er sich herauskämpfen muss. Dass diese oft erzählte Heldenreise vom übertrieben jämmerlichen Mann-Baby zum liebenswerten, charmanten und (wieder) virilen Quatschkopf nicht zum Augenrollen einlädt, ist vor allem der Performance Pittelkows und Thalmeyers zu verdanken, die ihre Rollen mit viel Sympathie füreinander füllen. Heraus kommen dabei am Ende 80 sehr unterhaltsame Minuten, über die sich danach noch erstaunlich lange an der Bar reden lässt.