Die Aufführung des »Cyrano de Bergerac« unter dem Göttinger Abendhimmel ist wie ein längst überfälliger Sommerregen: Erfrischend, wohltuend und vitalisierend. Der französische Dichter Cyrano (Gabriel von Berlepsch), der für seine Schlagfertigkeit mit Worten wie mit Waffen bekannt ist, verbirgt die Gefühle für seine Cousine Roxane (Nathalie Thiede) aus Sorge vor Ablehnung. Grund für die Angst ist seine große Nase, für deren unästhetische Erscheinung er stets Hohn und Spott erdulden muss. Folglich unterstützt er mit seinem Können den schönen, aber wenig poetisch bewanderten Christian von Neuvillette (Daniel Mühe) bei dessen Werben um Roxane. Die Inszenierung von Annette Pullen beginnt heiter und mit Tempo. Das ›Joie de Vivre‹ des Stückes überträgt sich bereits nach den ersten Szenen scheinbar mühelos auf das Publikum. Die Darsteller*innen sind so nah, ihre Verse das reinste Funkensprühen und die Dynamik mitreißend und so verwandelt sich das gesamte Parkdeck in eine Bühne. Doch sie bleiben nicht aus, die Momente der Spannung, des Tiefgangs und der Aussichtslosigkeit – sie entladen sich wie in einem Gewittersturm. Es sind die Konsequenzen, die die Protagonist*innen für ihr Handeln tragen müssen: Die Liebe Roxanes zu Christian beruht auf einer Lüge. Die aufrichtigen Worte der Liebe Cyranos und die wahrhaftigen Gefühle Christians sind und bleiben eine Täuschung. Die Hoffnungslosigkeit wird durch die schweren Zeiten eines Krieges verschlimmert und es bleibt die Frage, ob die Wahrheit die Verluste nur noch schmerzhafter macht.
Man könnte es sich daher nicht passender ausmalen, als zum emotionalen Finale des Stückes tatsächlich ein Sommerregen einsetzt. Die Kraft der gesprochenen Worte mit Bezug auf aktuelle Themen und in oft ironischer Sprache führt zu einer überaus gelungenen Inszenierung, die alle Facetten einer guten Komödie vereint. 26.6.2023

© Isabel Winarsch