Theater einBLICK

04.12.2025

»Wir wollen den Mainstream gar nicht, wenn er uns nicht will«

Claus Lampe, Scharfer Blick / Kritiker*innenclub 1.12.2025

Ein kleines Nest namens Grinnell mit 8000 Seelen ist der Ort der Handlung, irgendwo in Iowa: Stefanie Sargnagel und ihre Freundin, die von ihr bewunderte Musikerin, Ex-Punkerin und Göttinger-Elch-2025-Satirepreisträgerin Christiane Rösinger verbringen dort gemeinsame Wochen, um an einem Elite College Creative Writing zu unterrichten und ein Konzert zu geben. Daraus ist der Roman »Iowa« von Stefanie Sargnagel entstanden, den die Regisseurin Sarah Maroulis als Deutsche Erstaufführung nach Göttingen auf die Bühne im dt.x keller bringt.

Hierfür hat Justine Loddenkemper einen (Alb)Traum in Ockergelb und Beige erschaffen. Zwischen drapierten Vorhängen und Kofferbergen agieren die Schauspielerinnen, gekleidet in Hosenanzügen mit grellem Muster und schrägen Farben, nebst obligatorischen Cowboyhüten und Cowboystiefeln. Stars-and-Stripes -Fähnchen, Dollarscheine und die Freiheitsstatue lassen keinen Zweifel daran, wo wir uns befinden. Dazu kommt eine musikalische Untermalung mit Songs von Miley Cyrus, Green Day oder Elvis Presley.

Die Schauspielerinnen lassen das Publikum in die Erlebnisse ihrer Reise hautnah eintauchen. Zum Beispiel in überzeichnete Begegnungen mit Camouflage tragenden, jagenden Männern oder mit jungen Supermarktkassiererinnen ohne Zukunftsperspektive im vergilbten Teil der USA. Diese werden immer wieder mit Empörung gegenüber Rollenklischees, gleichzeitig aber auch entwaffnender Ehrlichkeit und Hilflosigkeit gegenüber ihren eigenen Verhaltensweisen reflektiert. Das Premierenpublikum geht begeistert mit, einzelne Situationen sorgen immer wieder für Lacher.

Und zugleich ist das Stück noch viel mehr als das: Die Geschichte einer sich vertiefenden Freundschaft zwischen den beiden Hauptfiguren, die einen Generationenunterschied überwindet. Die verzweifelte Suche nach dem Dazugehören, einem Ankommen (»Bedingungslose Liebe ist schon geil.«), Erschöpfung, die offenen Wunden und Fragen nach Sinn. Hier geht es um das Älterwerden, Bodyshaming, Karriere und Besitz, Familiengründung, Lebensziele. Und um die eingeübten Muster, ebendiese Anstrengungen und auch Fehlschläge zu überspielen: sarkastische Distanz, beißende Gesellschafts- und Paarkritik, Alkohol, Verbitterung – im Umgang mit anderen – und sich selbst. Trauer, Wut und Hoffnung vermischen sich.

Tara Helena Weiß zieht als Stefanie Sargnagel alle Register von herrlich überdreht, begeistert, unschuldig, charmant, verführerisch bis hin zu überfordert, erschöpft und verzweifelt. Gaby Dey als Christiane Rösinger agiert ebenso souverän, abgeklärt, desillusioniert und zugleich einfach müde und traurig, aber immer noch kämpferisch.

Stefanie: Warum bist Du immer so anti?

Christiane: Warum bist Du es nicht!?

Ein kurzes und zugleich gelungenes Stück voller Spielfreude, Witz und Offenheit über Sehnsüchte und Zerrissenheit. Über Enttäuschungen und Weitermachen.