Ins Netz gegangen 14.6.2025
Dieses Stück geht schief (The Play That Goes Wrong)
Komödie von Henry Lewis, Jonathan Sayer und Henry Shields
deutsch von Martin Riemann
Jonathan (Charles Haversham) Christoph Türkay / Max (Cecil Haversham, Arthur, der Gärtner Leonard Wilhelm / Sandra (Florence Colleymoore) Charlotte Wollrad / Robert (Thomas Colleymoore) Paul Trempnau / Dennis (Perkins) Ronny Thalmeyer / Chris (Inspektor Carter) Daniel Mühe / Annie Stella Maria Köb / Trevor Moritz Schulze / Winston der Hund
Regie Katharina Birch / Bühne und Kostüme Georg & Paul / Musik Lars Ehrhardt / Dramaturgie Michael Letmathe / Regieassistenz Sarah Maroulis / Soufflage Julia Schröder / Inspizienz Uta Knust / Austattungshospitanz Franka Werdin
Technische Leitung Marcus Weide / Produktionsleitung Henryk Streege / Technische Einrichtung Marco Wendt / Beleuchtung Michael Lebensieg / Tontechnik Julian Wedekind (Leitung), Bernd Schumann (Einrichtung) / Requisite Sabine Jahn (Leitung), Daniela Niehaus (Einrichtung) / Maske Frauke Schrader (Leitung, Einrichtung) Renée Donnerstag, Johanna Pfitzner (Einrichtung) / Kostümausführung Ilka Kops (Leitung), Heidi Hampe, Stefanie Scholz / Malsaal Eike Hansen / Schlosserei Jonas Hagenow / Dekoration Regina Nause, Axel Ristau / Tischlerei Maren Blunk
Aufführungsdauer ca. 2 Stunden, 20 Minuten, eine Pause
Aufführungsrechte LITAG Theaterverlag, München
Bild- und Tonaufnahmen sind während der Vorstellung nicht gestattet.
Probenfotos Thomas Aurin
Das Stück im Stück – »Mord auf Schloss Haversham«
Das Publikum erlebt die Premiere des Kriminalstücks »Mord auf Schloss Haversham« von Susie H.K. Brideswell. Die Produktion und das Bühnenbild wurde von einer sehr engagierten Amateurtheatergruppe realisiert. Ort der Handlung sind Charles Havershams Privatgemächer auf Schloss Haversham am Abend der Verlobungsfeier von Charles und Florence Colleymoore im Winter 1922.
Die Laientheatergruppe und die Besetzung »Mord auf Schloss Haversham«:
- Annie ist die Inspizientin der Theatergruppe. Sie hat ungeahnte schauspielerische Talente.
- Trevor ist Licht- und Tontechniker der Theatergruppe. Er hat ein großes Faible für Diven in der Popmusik und ihre Powerballaden.
- Chris ist Vorsitzender der Theatergruppe und gibt mit »Mord auf Schloss Haversham« sein Regiedebut. Außerdem lässt er es sich nicht nehmen, die Hauptrolle des Inspektor Carter zu spielen.
- Jonathan spielt Charles Haversham und verkörpert damit die Leiche. Leider hat er am wenigsten Text.
- Robert spielt Thomas Colleymoore, Charles‘ alten Schulfreund und Bruder von Florence. Er ist der Star des Abends.
- Dennis spielt Perkins, Charles‘ Butler. Er ist bescheiden und kann sich nicht so gut Text merken.
- Max spielt Cecil Haversham, Charles‘ Bruder, und Arthur, den Gärtner.
- Sandra spielt Florence Colleymoore, Charles‘ Verlobte und Schwester von Thomas. Sie ist, neben Robert, der absolute Publikumsbliebling und verdient die höchste Gage.
»Dieses Stück geht schief« ist eine Hommage an das Theater und macht die Menschen, die dort arbeiten, zu Hauptakteur*innen. Die besondere Magie, die ein Theatersaal versprüht, bekommt in dieser rasanten Komödie eine Liebeserklärung auf die lustigste Art und Weise, die mensch sich nur vorstellen kann. Seit der Uraufführung im Jahr 2012 läuft das britische Original von »The Play That Goes Wrong« ununterbrochen in London und inzwischen in ganz Europa. Die Autoren dieses Stücks haben sich in England einen großen Namen für exzellente Komödien gemacht. Zusammen bilden sie das Mischief Theatre. Das Mischief Theatre wurde im Jahr 2008 von Student*innen der London Academy of Music and Dramatic Art in West London gegründet. Gründungsmitglieder sind Henry Lewis, Jonathan Sayer und Henry Shields, die die meisten Stücke zusammen geschrieben haben. Ihre Komödien zeichnen sich durch Slapstick, Wortwitz und Chaos aus. In den letzten zehn Jahren haben sie sich zu einer weltweiten Sensation entwickelt und schaffen preisgekrönte Comedy für Bühne, Leinwand und darüber hinaus.
Über das Mischief Theatre
Das Mischief Theatre ist eine britische Theatergruppe, die sich ganz dem liebevollen Chaos verschrieben hat. Die Londoner Theatergruppe wurde im Jahr 2008 von drei Schauspielstudenten – Henry Lewis, Jonathan Sayer und Henry Shields – während ihres Studiums an der London Academy of Music and Dramatic Art (LAMDA) gegründet. Ursprünglich auf Improvisation spezialisiert, entwickelte sich aus ihren ersten Bühnenexperimenten eine Erfolgsgeschichte, wie sie im modernen Theater selten ist.
Bekannt wurde Mischief Theatre vor allem durch das Stück »The Play That Goes Wrong« (oder auch im deutschen: »Dieses Stück geht schief«, »Mord auf Schloss Haversham« oder auch »Chaos auf Schloss Haversham«), welches 2012 seine Premiere in London feierte. Die Prämisse ist ebenso simpel wie genial: Eine Amateurtheatergruppe versucht, ein Kriminalstück aufzuführen – doch alles, was schiefgehen kann, geht auch schief. Dabei liegt das wahre Können hinter dem offensichtlichen Chaos: Jeder Fehler ist genauestens einstudiert, jeder Unfall sorgfältig geplant. Die Komik entsteht durch das perfekte Zusammenspiel von scheinbarem Dilettantismus und meisterhaftem Timing. Das Stück wurde ein Sensationserfolg. Nach einem bejubelten Start beim Edinburgh Fringe Festival zog es bald ins Londoner West End, wo es seitdem ununterbrochen aufgeführt wird. Auch international feiert das Stück große Erfolge – unter anderem in den USA, Deutschland, Japan und Australien. Die Produktion hat zahlreiche Preise gewonnen. Doch damit nicht genug: Die Truppe hat sich seitdem ein ganzes Universum des Bühnenchaos‘ erschaffen. Zu den weiteren erfolgreichen Produktionen zählen:
»Peter Pan Goes Wrong« – Eine Panne jagt die nächste, als die Amateurgruppe sich an das berühmte Kindermärchen wagt. »The Comedy About A Bank Robbery« – Eine turbulente Gaunerkomödie mit absurden Wendungen. »Magic Goes Wrong« – Eine Zusammenarbeit mit den bekannten Magiern Penn & Teller, in der eine Zaubershow spektakulär entgleist.
Typisch für Mischief Theatre ist die Kombination aus klassischem Slapstick, liebevoll überzeichneten Figuren und einem Gespür für das Scheitern – im besten Sinne. Die Stücke feiern nicht nur das Chaos, sondern auch die Menschen, die tapfer darin bestehen. Es ist diese Menschlichkeit hinter dem Klamauk, die das Publikum immer wieder berührt – und zum Lachen bringt. Neben der Theaterarbeit produziert Mischief Theatre auch für das Fernsehen. Mit »The Goes Wrong Show« brachte die BBC eine eigene Comedyserie ins Programm, die die katastrophalen Bühnenversuche der fiktiven »Cornley Drama Society« zeigt. Auch »Peter Pan Goes Wrong« und »A Christmas Carol Goes Wrong« wurden erfolgreich für den Bildschirm adaptiert. In einer Zeit, in der Perfektion oft überbewertet wird, erinnert uns das Mischief Theatre mit viel Humor daran, dass gerade im Misslingen ein besonderer Zauber liegen kann. Ihre Produktionen sind eine Hommage an das Theater selbst – mit all seinen Tücken, Überraschungen und seiner unerschütterlichen Liebe zum Spiel.
Although performing this show requires technical precision and rehearsal, the main thing we want to encourage is that you have fun working on or studying this play. Comedy is always at its best when created in a room full of laughter and explored in a space where everyone is able to express themselves freely. So stay truthful, support one another, and make sure you have a good time as you get to know the characters and the wonderful world of the Cornley Drama Society. Good luck making Mischief.
Henry Lewis, Jonathan Sayer & Henry Shields
Britischer Humor – Wenn alles schiefgeht, wird’s richtig gut
Was genau ist eigentlich britischer Humor – und warum bringt er uns so verlässlich zum Lachen? Wer sich »The Play That Goes Wrong« ansieht, bekommt eine ziemlich gute Antwort: Britischer Humor lebt von genau dieser Art der Katastrophe. Er ist selbstironisch, oft absurd, manchmal trocken, manchmal völlig überdreht – aber immer mit einem liebevollen Blick auf menschliche Schwächen. Anders als der oft moralisch pointierte deutsche Humor oder der sarkastische amerikanische Stil setzt der britische Witz auf das Unperfekte. Das Scheitern ist keine Peinlichkeit, sondern eine Bühne für wahre Komik. In »The Play That Goes Wrong« wird das auf brillante Weise inszeniert. Eine fiktive Laientheatergruppe versucht, ein Kriminalstück aufzuführen – und schon beim ersten Auftritt merkt man: Das wird nichts. Doch gerade dieser verzweifelte Ernst, mit dem die Darsteller*innen (innerhalb der Rolle!) versuchen, die Fassade aufrechtzuerhalten, ist das Herz der Komik. Das Publikum genießt dabei nicht nur den Slapstick – es lacht vor allem über das tapfere Weitermachen in aussichtsloser Lage. Es ist das Prinzip: »The show must go on! «, koste es, was es wolle.
Typisch britisch ist auch der Kontrast zwischen Anspruch und Absurdität: Die Figuren nehmen sich und ihre Aufführung völlig ernst. Gerade dadurch entstehen die größten komischen Momente – denn das Publikum erkennt die Diskrepanz zwischen Ambition und Wirklichkeit. Der Humor entsteht hier nicht durch lustige Figuren, sondern durch Figuren, die mit großer Würde in eine vollkommen würdelose Situation geraten.
Weitere Stilmittel sind Running Gags und Wiederholung. Ob ein falsch platzierter Stuhl, eine fehlerhafte Tonbandaufnahme oder eine wiederholt bewusstlose Darstellerin – durch das Wiederkehren derselben Missgeschicke steigert sich die Komik ins Absurde. Es ist eine Art choreografiertes Desaster – ganz in der Tradition von Komikern wie Mr. Bean oder Monty Python, wo das Unmögliche zur Normalität wird. Nicht zuletzt zeichnet sich britischer Humor durch Selbstironie und einen gewissen Anflug von Understatement aus. Niemand nimmt sich selbst zu ernst – und gerade das macht die Figuren so liebenswert. Auch »The Play That Goes Wrong« ist letztlich eine Parodie auf das Theater selbst – auf seine Regeln, seine Rituale und seine unverwüstliche Leidenschaft, trotzdem weiterzuspielen. Britischer Humor lebt vom Spiel mit Erwartungen, vom Stolpern über das Eigene und vom lakonischen Lächeln angesichts des totalen Scheiterns.
Das Bühnenbild – die Diva im Ensemble
Das Bühnenbild von »The Play That Goes Wrong« ist eine zentrale Figur im Stück. Es ist nicht nur Kulisse, sondern aktiver Mitspieler im permanenten Desaster. Anders als in herkömmlichen Produktionen, wo das Bühnenbild Stabilität und Ordnung vermitteln soll, besteht hier die Herausforderung genau im Gegenteil: Es muss zusammenbrechen und das immer kontrolliert, punktgenau und immer wieder. Das gesamte Stück lebt davon, dass Dinge scheinbar zufällig schieflaufen, aber in Wahrheit ist jeder Effekt exakt geplant. Türen müssen im falschen Moment klemmen oder aus der Verankerung brechen. Regale stürzen ein, Wände fallen um, Bühnenpodeste kippen. All das darf für das Publikum chaotisch wirken, muss aber technisch hundertprozentig sicher und wiederholbar sein – Abend für Abend. Viele Elemente des Bühnenbilds sind mechanisch oder tricktechnisch gesteuert. Falltüren, klappbare Wände, sich lösende Schrauben – alles muss im perfekten Timing mit der Handlung, dem Text und der Bewegung der Schauspieler*innen abgestimmt sein. Das Bühnenbild muss dabei nicht nur funktional sein, sondern auch mitspielen, als wäre es selbst eine unberechenbare Figur. Ein scheinbar widersprüchlicher Anspruch: Die Kulissen müssen gleichzeitig stabil genug sein, um von Schauspieler*innen betreten, beklettert oder gestürzt zu werden und gleichzeitig so konstruiert sein, dass sie gezielt kaputtgehen können, ohne echte Gefahr zu verursachen. Hier ist viel Erfahrung in Bühnentechnik, Statik und Sicherheitsplanung gefragt. Da viele Teile des Bühnenbilds im Lauf des Stücks zerstört werden, muss das gesamte Szenario so gebaut sein, dass es nach jeder Vorstellung schnell wieder aufgebaut werden kann. Auch die Gestaltung selbst ist Teil des Gags: Das Bühnenbild muss die Ästhetik eines überambitionierten, schlecht finanzierten Amateurtheaters widerspiegeln – mit überladenen Möbeln, unechter Tapete, falschem Prunk. Gleichzeitig muss es professionell genug sein, um komplexe Gags zu ermöglichen. Diese Glaubwürdigkeit im Unglaubwürdigen ist eine Kunst für sich. Die Bühne ist so gebaut, dass sie das Spiel mit der Illusion ermöglicht: Schauspieler*innen stecken fest in Fenstern, stürzen durch Böden, verschwinden hinter drehenden Wänden. Diese Interaktionen erfordern präzises Proben, ein extrem gutes Zusammenspiel zwischen Technik, Regie und Ensemble und oft ein hohes Maß an Körperkoordination.
Das Bühnenbild ist eine Hommage an das Handwerk hinter den Kulissen und alle Abteilungen, die an der Verwirklichung dieser Diva mitgewirkt haben: Tischlerei, Bühnentechnik, Schlosserei, Beleuchtung, Dekoration, Malsaal, Requisite. All diese Abteilungen machen das Scheitern zur Kunstform. Denn am Ende steht fest: Damit auf der Bühne alles falsch laufen kann, muss hinter den Kulissen alles genau richtig laufen.
Michael Letmathe