Theater einBLICK

03.03.2023

Berauschend, bedrückend, politisch

Louis Valentino Kolkmeyer hat für den hauseigenen Kritiker*innenclub des Deutschen Theater Göttingen, der »Scharfe Blick«, eine Vorstellung »Der Hund muss raus – Ein Suchtstück« besucht.
Der Hund muss raus
Zum Stück

»Der Hund muss raus« wirft eindrucksvoll eine Vielzahl komplexer Fragen im Zusammenhang mit dem Konsum von Suchmitteln auf. Paul Trempnau, Christoph Türkay, Jenny Weichert und Gerd Zinck spielen ihre Rollen dabei so überzeugend, dass sie zu Beginn des Stücks auf ihre Funktion als Darstellende verweisen (müssen). Andernfalls könnte ob der authentischen Darbietungen der Eindruck entstehen, es handle sich um Selbsterlebtes. Tatsächlich hat der Autor und Regisseur Philipp Löhle Gespräche mit Betroffenen geführt und diese als Werk- und Wirkstoff für das Dargebotene genutzt.
Während der knapp 100minütigen Vorstellung wird den Zuschauenden ein intensives und berührendes Erlebnis geboten. Zwischen laut und leise, hell und dunkel, humorvoll und beängstigend alternierend wirkt die Aufführung beinahe selbst wie ein Rausch: Auf ein positives Hochgefühl, hervorgerufen durch burleske, aber durchaus informative Szenen über die Historie und die weltpolitischen Verflechtungen von Rauschgiften, folgen bitterernste und nüchterne Monologe über die Schicksale von Abhängigen. Hintergrund ist dabei stets eine aus hunderten Kronkorken schimmernde Wand, kreiert von Bühnenbildner Thomas Rump. Durch Lichteffekte in einem Moment majestätisch gold leuchtend, werden die Darstellenden im nächsten Moment wortwörtlich von ihr verschlungen. Eine clevere Verbildlichung des dargestellten Wechselspiels zwischen berauschender Lust und damit einhergehendem Kontrollverlust.
Was bleibt, sind neben den bewegenden Schicksalen auch politische Fragen: Würde eine (Ent-)Kriminalisierung an derartigen Lebensgeschichten etwas ändern? Warum sind einige Drogen gesellschaftlich nahezu erwünscht und andere verachtet? Ein abschließender Blick auf die Kronkorkenwand lässt jedenfalls den Schluss zu: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.  2.3.2023

 

 

© Thomas Müller