Theater einBLICK

01.02.2024

Der große Gatsby – Eine Vaudeville-Show nach dem Roman von F. Scott Fitzgerald

Greta Siuts hat für den hauseigenen Kritiker*innenclub des Deutschen Theater Göttingen, der »Scharfe Blick«, die Premiere »Der große Gatsby« besucht.
Der große Gatsby
Zum Stück

»The Great Gatsby« von F. Scott Fitzgerald ist ein Roman, der in den 1920er-Jahren spielt und die Geschichte des mysteriösen Millionärs Jay Gatsby (Daniel Mühe) erzählt. Der Erzähler, Nick Carraway (Moritz Schulze), beschreibt die dekadente Welt des Jazz Age in Long Island, New York und wird als Nachbar von Gatsby in die Welt des Überflusses und der Maßlosigkeit, zwischen Illusion und Realität hineingezogen. Es entwickelt sich eine Verbindung, die als Freundschaft wahrgenommen werden könnte, bliebe nicht bis zuletzt die Frage, ob sie rein zweckmäßig sei, denn Gatsby verfolgt einen heimlichen Plan. Er versucht verzweifelt, seine vergangene Liebe und Cousine von Nick, Daisy Buchanan (Gaia Vogel), zurückzugewinnen, die mit dem reichen Erben Tom (Christoph Türkay) verheiratet ist. Was folgt, ist ein mitreißender Strom an Emotionen, Verpflichtungen und Verstrickungen. Es ergeben sich weitreichende Konsequenzen, die nicht nur das Leben und die Beziehungen der vier Protagonisten betreffen.
Die Bühne des deutschen Theaters verwandelt sich unter der Regie von Katharina Ramser in eine mitreißende Vaudeville-Show, wie es passender und schillernder nicht sein könnte. Diese Form der Unterhaltung, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert in den Vereinigten Staaten populär war, zieht das Publikum sofort in den Bann. Besonders in der ersten Hälfte des Stückes wird ›Glanz und Glamour‹ der reichen Oberschicht mit beeindruckenden Choreografien (Leitung Valentí Rocamora i Torà) und durch, vom Orchester begleitete, Gesangseinlagen (Leitung Michael Frei) hervorgehoben. Die mitreißenden Swing-Songs, die so charakteristisch für den Big-Band-Sound sind, füllen das Theater bis unter das Dach mit einer einzigartigen Atmosphäre. Doch was sich schnell erahnen lässt und spätestens in der zweiten Hälfte des Abends deutlich wird: Die Geschichte wird die Illusion des ›American Dream‹, die soziale Ungleichheit und die Leere hinter all der Oberflächlichkeit enthüllen.
Die Atmosphäre der 1920er-Jahre und die zwischen arm und reich gespaltene Gesellschaftsstruktur werden durch geschickt eingesetztes Licht vom Beleuchtungsmeister Michael Lebensieg, von der Decke schwebende Lichtstränge und ein Bühnenbild mit drehbaren Wänden äußerst authentisch dargestellt. Das Bühnenbild von Ute Radler ermöglicht einen nahtlosen Wechsel zwischen den verschiedenen Szenen. Im Hintergrund integrierte Videos (Thomas Bernhard) tragen dazu bei, das Geschehen zu ergänzen und schaffen ein multimediales Gesamtkonzept. Diese eindrucksvolle visuelle Darstellung wird durch fantastische Kostüme (Myriam Casanova) vervollständigt, die die optische Wirkung des Stücks zusätzlich verstärken.
Die Darstellenden und ihre Interpretation der Charaktere verleihen der Inszenierung eine faszinierende Bandbreite von der schnellen Leichtlebigkeit bis zum tiefgreifenden Drama.
Ihre Präsenz auf der Bühne ist von einer außergewöhnlichen Intensität geprägt, die das Publikum merklich in den Bann zieht und beim Schlussapplaus alle Besucher*innen aus den Sitzen zieht. Besonders die Darbietung von Moritz Schulze als Nick lässt sich hervorheben. Er versteht sich virtuos darauf, die Erzähler-Perspektive mit aktivem Schauspiel zu verbinden.
Eine klare Empfehlung für alle, die in die schillernde Welt der 1920er-Jahre eintauchen und eine fesselnde Aufführung genießen möchten. 30.1.2024

 

© Thomas M. Jauk