Im dt-Keller herrscht Baratmosphäre. Der gesamte untere Bereich, wo sonst die Aufführungen stattfinden, ist mit Stühlen und Tischen versehen, die liebevoll mit Blumen dekoriert sind. Das Publikum sitzt auf der Bühne, könnte man meinen. An die Klinkerwand, die sich hinter dem oberen Sitzbereich befindet, ist in Großformat eine Hand projiziert, welche einen Revolver hält. Dieser wird genau Richtung Eingang gehalten, durch welchen die Gäste in den Keller strömen. Die Vorführung beginnt, Nebel und unheimliche Stimmung herrschen, als eine Frau von links kommend, in blau gekleidet, schulterlange Haare, hinter einem Pfosten in die Hocke geht, einen Revolver hebt und schießt. Es ist die Schauspielerin Jenny Weichert, die über Rose erzählt: Eine reife, alleinstehende Frau in den besten Jahren, Ende 40. Die routinemäßigen abendlichen Besuche in ihrer Stammbar bereiten ihr Lebensfreude. Zur Sicherheit hat Rose immer einen Revolver in der Handtasche, denn mit Männern hat sie sehr schlechte Erfahrungen machen müssen. Eines Abends erscheint ein Mann mit seiner blutenden, angefahrenen Hündin in der Bar. Rose hat Mitleid mit dem verletzten Tier, spricht kurz mit dem Hundebesitzer Luc, nimmt ihre Waffe aus der Handtasche und erlöst die leidende Hündin. Zwei Tage später meldet sich Luc, sie treffen sich, haben viele Gemeinsamkeiten und genießen die Zeit miteinander. Doch Rose merkt, dass auch diese Beziehung Höhen und Tiefen hat. Luc hat unangenehme Seiten, spricht nicht viel, zieht sich zurück und möglicherweise ist er ein machtgieriger, erfolgreicher Mann, der besitzen möchte, wie viele dieser Spezies. Rose zieht dennoch zu ihm, gibt Job und Freundeskreis auf und hat ein Leben im ›goldenen Käfig‹ bis zu einem verhängnisvollen Abend in einem Fünfsternehotel.
Die Aufführung des Romans »Rose Royal« macht nachdenklich. Die Beschreibungen der wortgewandten Schauspielerin Jenny Weichert wirken auf mich fast erschreckend authentisch. Sie spiegeln wider, wie unempathisch und grausam Männer sein können und wie schnell Frauen in eine Opferrolle geraten, obwohl ihnen Hilfen zum Ausweg zur Verfügung stehen. Der Regisseurin Schirin Khodadadian ist es aus meiner Sicht sehr gut gelungen, diese oft verdrängte Thematik sehr fesselnd an die Menschen zu bringen und zum Nachdenken zu bewegen. Wiebke Schnapper (Video) hat Hintergrundszenen geliefert, die dynamische, oft bewaffnete weiblich gelesene Mitglieder des Ensembles des Deutschen Theater zeigen, welche zeitweise das Publikum ins Visier nehmen. Bühnenbild und Kostüme (Carolin Mittler) waren einfach und zweckmäßig, aber dennoch sehr eindrucksvoll. Der Einsatz von Weingläsern als Musikinstrument zeugt von großer Kreativität und die Schauspielerin konnte ihr musikalische Talent gut zum Ausdruck bringen.
Mein Fazit: Es war ein sehr aufwühlender und aufklärender Abend im dt-Keller, der sich gelohnt hat und auf jeden Fall besuchenswert ist. Ich hoffe, dass einigen Besucher*innen Impulse gegebenen wurden, sie miteinander ins Gespräch kommen und eine Beziehung nicht als Dilemma sehen, sondern als ein demokratisches Miteinander von Menschen, die Gefühle und Bedürfnisse von Partner*innen sehen, ihnen zuhören und Kompromisse finden, weil sie einander lieben. Jede Frau sollte ohne Angst vor dem anderen Geschlecht ihr Leben gestalten können, das würde ich mir wünschen. Einige Menschen müssen noch viel lernen, denn Gewalt in jeglicher Form ist nie eine Lösung.