Der Untertan

Heinrich Mann
dt.1
Premiere 16. April 2016
Dauer 90 Minuten
Regie
Theo Fransz

Musikalische Leitung
Michael Frei

Bühne
Bettina Weller

Kostüme
Bettina Weller

Dramaturgie
Sonja Bachmann

Diederich Heßling ist ein perfekter Untertan: er unterwirft sich der herrschenden Macht, übt anderen gegenüber seine eigene Macht aus und spielt so das gesellschaftliche System unbedingt mit. Schon in der Familie beugt er sich ängstlich dem Willen, den Anordnungen und den Schlägen des Vaters und beherrscht und straft seine Schwestern, wie er sich auch in der Schule dem Direktor und den Lehrern furchtsam gefügig macht und die Mitschüler verpetzt. Und Diederich will aufsteigen in der Welt: Um zu studieren und Doktor zu werden, geht er nach Berlin, wo er der Studentenverbindung »Neuteutonia« beitritt und sich seine fanatische Begeisterung für den jungen Kaiser Wilhelm Bahn bricht. Ist er auf der einen Seite als Kleinstädter überreizt vom großstädtischen Leben, geben ihm als weichem, nicht gefestigtem jungen Mann das Kaisertum und die Kameradschaft der Studentenverbindung auf der anderer Seite Halt. Als Doktor der Chemie beerbt er seinen Vater, den Papierfabrikaten in der Heimatstadt Netzig als einziger Mann in der Familie und Firmenchef. Unter seiner Leitung werden die Arbeiter geknechtet und die Sozialdemokratie bekämpft. Arbeiterrechte werden zugunsten der Effizienz missachtet und Schmeicheleien der Größen in Netzig zur Fabrikvergrößerung eingesetzt. Im privaten wie im geschäftlichen wird er mehr und mehr zu einer Imitation von Kaiser Wilhelm, dem er mit einem Denkmal huldigen möchte. Doch die Enthüllung des Denkmals, das die Krönung von Diederich Heßlings Leben sein sollte, wird zu seiner größten Schlappe.

Zum Autor Heinrich Mann
Der 1871 in Lübeck geborene Heinrich Mann bezog sich in seinem schriftstellerischen Schaffen stets auf gesellschaftliche und politische Beobachtungen. Mit glasklarem Blick, beißendem Zynismus und pointierter Satire entlarvte er die Gesellschaft. 1933 wanderte er deshalb aus Deutschland aus, gelangte über die Tschechoslowakei nach Frankreich, dann in die USA, wo er 1950 starb. Heinrich Manns »Der Untertan« ist zwar im wilhelminischen Zeitalter verortet, aber der Weg und die Charakterisierung Diederich Heßlings hat bis heute nichts an Aktualität eingebüßt: Obrigkeitshörigkeit, fehlende Zivilcourage, Angst vor dem Überhandnehmen von Notleidenden, Effizienzdenken oder wirtschaftlicher Opportunismus sind Phänomene der Gegenwart.

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Pressestimmen

Der Untertan »Im Deutschen Theater Göttingen steht zurzeit eine bemerkenswerte Adaption des Heinrich Mann Buches >Der Untertan˂ auf dem Spielplan. Weder getrieben von übermäßiger Modernisierungslust noch zu sehr der Vorlage verhaftet entwickelt sich ein Stück, das zeigt warum der Text des Schriftstellers wieder einmal aktuell ist ... Bemerkenswert ist, was die Göttinger Schauspieler aus dem bekannten Stoff machen: Allen voran Kauff als Hessling, der es allein mit seiner ungeheuer beherrschten Mimik wie Haltung fertigbringt, die ganze Emotion, den Hass auf die Sozialisten, die Gottgleiche Verehrung von Kaiser Wilhelm und die eigene, nationale Großspurigkeit zu einer alles einnehmenden Fassade aufzubauen. Weich wird er nur bei seiner ersten Liebe Agnes- die er schäbig sitzenlässt ... Nicht weniger beeindruckend sind die immer wieder die Rollen wechselnden Mitspieler und Gegenspieler Benjamin Kempf, Andrea Strube und Andreas Jeßing - letzterer als Mann der tausend Gesichter, der es schafft mit minimalsten Stilmitteln eine Figur vollständig zu verändern - ob das eine beiläufig aufgesetzte Nickelbrille ist oder ein Wechsel in Akzent und Haltung. Stark vor allem auch die Leichtigkeit, mit der sich die vier Schauspieler im Text die Bälle zuspielen ... Die Atmosphäre, getragen durch die durchweg brillanten darstellerischen Leistungen, wird bisweilen fast bedrohlich, weil der anfangs belächelte nationalistische Narr – mit durchschnittlicher Intelligenz und dem gänzlichen Fehlen von Humor und Empathie gesegnet – so weit weg scheint, bis er dem Publikum plötzlich sehr nahe kommt. Der Text von Heinrich Mann wurde noch vor dem ersten Weltkrieg geschrieben, doch er erscheint aktuell wie eh und je ... Modern ist das Stück auch, weil der alte Text von der Aktualität unserer Zeit faktisch eingeholt wird ... Insgesamt ist ›Der Untertan‹ eine Inszenierung, die das Publikum berührt und am Ende mit den letzten Sätzen auf der Bühne auch aktuell konfrontiert: Da heißt es: ›Entscheiden Sie sich, welchen Charakter Sie haben wollen, den Humanisten oder den Untertan.‹ Ein Stück, über das man inhaltlich wieder sprechen muss und über das man in dieser Inszenierung auch ganz sicher sprechen wird.«
Jürgen Jenauer, NDR Kultur 26.4.2016

»Die Bühnenadaption von ›Der Untertan‹ zeigt psychologische Mechanismen auf, die, schon in der Kindheit beginnend, eine Entwicklung zum Untertanen oder Mitläufer begünstigen. Dabei werden die teilweise gewaltvollen Szenen (Prügelstrafe) durch den Einsatz von Schattenbildern hinter dem übergroßen Bilderrahmen im Hintergrund des Bühnenbildes etwas abgemildert … Sehr überzeugend war die Schilderung seiner Militärdienstbegeisterung, die sich allerdings durch eine Militärdienstverweigerung ausdrückte … Ein Theaterabend, der zum Tieferschauen und Diskutieren anregt.»
Christine Tischkau und Christopher Seltmann, Scharfer Blick/Kritikerclub 9.3.2022

Der letzte Satz sagt alles »Während dieser angenehm ruhigen Inszenierung ist es ungeheuer interessant zu beobachten, wie erstaunlich Benedikt Kauff die Entwicklung des Diederich Heßling nachzeichnet. Seine Gestik und Mimik wächst wortwörtlich von dem mit Bauklötzchen spielenden Kind, das eine schwierige Erziehung erfährt, über den Studenten, der die Irrungen und Wirrungen der Großstadt aufsaugt und dem Jüngling, der seine erste Liebe spürt, bis hin zum kaltherzigen Fabrikanten ... Für mich nehme ich mit nach Hause, dass wir alle in den Spiegel schauen und uns fragen sollten: Will man nur zuschauen oder will man handeln? Wie können wir unser Verhalten innerhalb der Gesellschaft verbessern und diese somit insgesamt zu einer besseren Gesellschaft werden lassen? Und das immer wieder. Jeden Tag aufs Neue.« Ingrid Rosine Floerke, Scharfer Blick/Kritikerclub 1.3.2022
Ingrid Rosine Floerke, Scharfer Blick/Kritikerclub 1.3.2022

»Nach oben buckeln, nach unten treten! »Erlebte einen jener besonderen Theaterabende, an denen alles stimmte ... Das Ende des Stückes ist so umwerfend, dass ich es am liebsten sofort ausplaudern möchte, aber da ich mir sicher bin dass nach dieser Rezension selbst eingefleischte Kulturmuffel mal wieder Lust auf einen Abend im Theater bekommen, bleibt dies eine spannende Andeutung und hoffentlich ein weiterer Anreiz, sich diese sehenswerte Inszenierung nicht entgehen zu lassen.«
Dajana Zehler, Göttinger Kulturbüro 17.4.2016

»Soll es nur einer wagen, den Herrscher zu beleidigen! »Großartige Inszenierung von Heinrich Manns ›Der Untertan‹ … Wunderbar setzt Regisseur Theo Fransz Manns Psychogramm des nach oben buckelnden und nach unten tretenden ›Untertans‹ in Szene. Benedikt Kauff spielt den selbstherrlichen Diederich Heßling, der ängstlich und devot vor den Mächtigen kuscht und gegenüber Schwächeren seine Macht auskostet, unglaublich überzeugend. Auch die anderen drei Schauspieler, Andreas Jessing, Benjamin Kempf und Andrea Strube, leisten Fantastisches. Mit ungehöriger Präsenz schlüpfen sie in die zahlreichen Rollen des Stücks.«
Michael Caspar, Göttinger Tageblatt 20.4.2016

»Majestätsbeleidigung im Deutschen Theater Göttingen »Die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Diederich Heßling (Benedikt Kauff) begeisterte das Publikum. Kauff spielt die Rolle des Heßling mit Bravour. Es wirkt wie ein kurzer Besuch im frühen 20. Jahrhundert, der zugleich schockiert und fasziniert. Wieder hat das Deutsche Theater zur richtigen Zeit eine Premiere gesetzt.«
Vincent Lubbe, Blick 20.4.2016

»Der Kaiser im Kinderzimmer »Andrea Strube, Andreas Jessing und Benjamin Kempf ermöglichen rasche Szenenwechsel, indem sie in immer wieder neue Rollen schlüpfen. Hatten sie sich eben noch mit dem Sprechen von Passagen der von der Textvorlage vorgegebenen Erzählinstanz abgewechselt, so verkörpern sie plötzlich Diederichs aufgespaltenes Ich. Gerade noch war Benjamin Kempf in blauer Uniform als Polizist aufgetreten. Im nächsten Augenblick tauscht er seine Pickelhaube gegen eine Kippa ein und verwandelt sich so in einen jüdischen Mitschüler, der versucht, Diederichs Affronts in Würde zu ertragen.«
Stefan Walfort, litlog 24.5.2016

»Mein Weg ist der richtige »Kauff zeigt Heßling nachvollziehbar, intensiv und überzeugend … Andreas Jeßing, Benjamin Kampf und Andrea Strube übernehmen mit größter Souveränität die übrigen Rollen.«
Michael S. Zerban, O-Ton 12.9.2017

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